Forschungsseminar    

Politik und Wirtschaft

 

 

Protokoll zur Sitzung des Forschungsseminars vom 7. Januar 2016

 

Datum:            07.01.2016

 

Beginn:           17.15 Uhr

 

Ende:              18.45 Uhr

 

Ort:                 Grimmaische Str. 12.,  SR. 12

 

Protokoll:        R. Scholz

 

Anwesende:    Arglist, Felix; Arndt, Christian; Goyk, Richard; Gräbe, Hans-Gert; Köster, Robert; Quaas, Friedrun; Quaas, Georg; Scholz, Richard; Winzler, Tim; Müller, Karsten; Frank Fehlberg;

 

Entschuldigt:  Melch, Simon

 

 

 

TOP1: Terminplanung

-          R. Köster wird zum nächsten Termin am 21.01.2016 nichts vorstellen

-          Alternative Vorschläge können bis zum 14. Januar eingereicht werden, ansonsten entfällt der Termin ersatzlos

 

TOP2: Bestätigung des Protokolls

-          Protokoll wird ohne Anmerkungen bestätigt

 

TOP3: Diskussion des Textes von F. Fehlberg

-          30 minütiger Vortrag von F. Fehlberg (Fragen sind erst nach dem Vortrag erwünscht)

 

Diskussion:

 

Die Diskussion beginnt mit der Frage von G. Quaas nach der Hauptthese von Fehlberg. Dieser antwortet, er möchte die Produktionsfunktion auf den ihr zugehörigen Platz zurückweisen.

 

Gräbe fragt nach den Vorrausetzungen des vorliegenden Produktionsprozess und wie sich dieser im heutigen Kapitalismus darstellt. Er selbst beschreibt diesen Prozess als fraktal und vergleicht die Rolle des Kapitals mit dem einer Infrastruktur, die notwendig ist den Prozess am laufen zu halten. Er betont, dass es im Gegensatz zur Betriebswirtschaft, welche sich am Produkt orientiert, bei dem Verständnis des VWLers um den Prozess gehen müsse.

Fehlberg deutet nach diesen Ausführungen darauf hin, dass er eben über den momentan kapitalistischen Produktionsprozess hinaus auf mögliche Alternativen des Kapitalismus blicken möchte. Schließlich müssen Bedürfnis und Bedürfnisbefriedigung zueinander gebracht werden.

Gräbe weist darauf hin, dass die individuellen Bedürfnisse nicht mit einem aggregierten Bedürfnis gleichgesetzt werden dürfen. Als Beispiel eines aggregierten Bedürfnisses erwähnt er den generellen Erhalt des Produktionssystems. Fehlberg stimmt dieser Aussage zu und meint auch die Existenz des Geldes an sich könne als Beispiel dafür herangezogen werden.

F. Quaas weist auf Unterschiede/Widersprüchlichkeiten zwischen dem Vortrag und dem Diskussionspapier hin. Während die Quintessenz des Papiers die Aussage ist, dass Arbeit alleine produktiv sein kann, Kapital jedoch nicht, wird diese Aussage im Vortrag zwar für die betriebswirtschaftliche Ebene noch für gültig erachtet, auf der Gesamtebene jedoch wieder in Frage gestellt. Woher kommt dieser plötzliche Rückzug?

Fehlberg antwortet er möchte auf die Schizophrenie zwischen Profitorientierung und den gesellschaftlichen Bedürfnissen hinweisen, mehr nicht. F. Quaas stellt weiter die Frage wie das vorgetragene dann noch zu Rodbertus passe, welcher auch auf betriebswirtschaftlicher Ebene das Kapital ignoriert. Mehrstimmig kommt im FS die Frage auf worüber Rodbertus überhaupt rede?

   

G. Quaas betont ausdrücklich, dass er in diesem Seminar Öknomik behandeln möchte, was für ihn eine empirische Realwissenschaft sei. Weiterhin kritisiert er Fehlberg scharf für die verwendete additive Produktionsfunktion (PF). Diese sei vollkommen unsinnig sei und finde auch keine Vertreter mehr. Gräbe schließt aus der ersten Aussage von G. Quaas (dass nur empirische Realwissenschaft behandelt werden soll), dass die ideengeschichtliche Bearbeitung von Rodbertus nicht ins Seminar gehört und man sich auf die Schlussfolgerungen auf die reale Welt konzentrieren müsse. Fehlberg meint, es gehe ihm darum die Möglichkeiten des Denkens zu öffnen.

Tim Winzler fragt danach was eigentlich fraktal und kontinuierliche Skaleninvarianz bedeutet. Fehlberg antwortet das fraktal mit „selbstähnlich“ gleichzusetzen ist und mit kontinuierliche Skaleninvarianz gemeint ist, das die PF in jeder Größenordnung ob betriebswirtschaftliche oder gesamtwirtschaftliche gleich bleibt.

 

Köster fragt Fehlberg direkt ob er die PF oder den Kapitalismus kritisieren möchte. Worauf Fehlberg klarstellt er möchte die PF relativieren. Scholz vergewissert sich daraufhin, dass Fehlberg meint die PF sei eine gute Theorie für den Kapitalismus jedoch nicht anwendbar auf andere Gesellschaftsformen. Fehlberg möchte die Rolle der Nachfrage mehr in den Fokus rücken.

G. Quaas betont, dass die Nachfrage mit der PF nichts zu tun hat und auch niemand bisher versucht hat die Nachfrage mit der PF zu erfassen. Er fragt sich warum die beiden Theorien zusammengebracht werden sollen. Fehlberg ist die Antwort auf die Frage klar: Weil Produktion der Befriedigung der Bedürfnisse dienen soll.

Gräbe sieht die PF als ein Prognoseinstrument von Ökonomen, jedoch scheint sie ungeeignet als Theorie für den Produktionsprozess. Er schlägt daher vor diesen mit anderen theoretischen Ansätzen beispielsweise der Systemtheorie zu erfassen. Dafür müsse Fehlberg jedoch die Spielwiese der PF verlassen. Weiterhin sei es sinnvoll sich auf andere Autoritäten (Theoretiker) zu berufen, als zu versuchen eine eigene Fehlbergsche Theorie zu entwickeln.

Fehlberg stimmt den Ideen generell zu und sieht seinen Beitrag als einen Anfang dafür. Er wünscht sich insgesamt einen anderen wissenschaftsorganisatorischen Zustand in dem die Ökonomik eine größere Nähe zu den anderen Sozialwissenschaften hat.

G. Quaas bemängelt die fehlenden theoretischen Vorschläge von Fehlberg Nachfrage und Angebot zusammenzubekommen und F. Quaas empfiehlt Fehlberg sich auf die Kritik der Grenzproduktivitätstheorie zu konzentrieren. Dies sei Fehlberg jedoch zu wenig er möchte seinen Angriff auf die Aussage „Kapital ist produktiv“ in den Mittelpunkt stellen.

 

G. Quaas fordert daraufhin das FS auf, sich darauf zu einigen, dass Kapital und Arbeit nur zusammen produktiv sind und dieses Produktionsverhältniss unabhängig vom Gesellschaftssystem gültig ist. F. Quaas betont, dass Marx bereits Rodbertus dafür kritisiert habe, dass Arbeit alleine produktiv ist, vielmehr sei auch Arbeit nur zusammen mit Kapital produktiv. Fehlberg fragt daraufhin inwieweit auch Marx schizophren war, schließlich betrachtete er das Kapital nur als gestorbene Arbeit.

 

Gräbe fragt ob es im digitalen Wandel neue Formen gibt in denen sich das Alte bewegt. Er präzisiert inwiefern sich Theoretiker mit der Vollautomatisierung der Wirtschaft beschäftigen, also mit dem Phänomen das Kapital alleine produktiv ist. Fehlberg meint das es bei Phelbs und seinen Ausführungen zu einem goldenen Zeitalter Hinweise daraufhin gibt. Weitere theoretische Ausführungen sind den Teilnehmern nicht bekannt, vielmehr wird immer davon ausgegangen, dass ein klitzekleines Anteil an Arbeit immer notwendig sein wird, uns sei es nur um den Startknopf zu drücken oder die Maschinen zu warten.

 

Im Schlusswort betont G. Quaas, dass auch er kein Fan der PF ist und diese auch nicht für seine Kurzfrist-Prognosen benötigt. 

 

 

Anmerkungen von G. Gräbe zum Protokoll (10.01.2016):

 

Die PF ist nach meinem Verständnis Teil eines spezifischen, in verschiedene Richtungen entwickelbaren _Modellansatzes_, mit dem der Zusammenhang zwischen Arbeit und Kapital und die Auswirkungen dieses Zusammenhangs auf andere Parameter der VWGR erfasst werden sollen. In der Tat _Zusammenhang_, denn die Anmerkung von G.Quaas, dass er die PF für seine Prognosen nicht benötige und die Beziehung anders umstelle, kann ich nur so verstehen, dass er mit dem (einheiteninvarianten) Differentialzusammenhang

dY/Y = alpha * dL/L + beta * dK/K

sehr wohl arbeitet, nicht aber mit der (nur unter sehr einschränkenden Bedingungen einheiteninvariant definierbaren) PF Y=A*L^alpha*K^beta.

Dieser _Zusammenhang_ zwischen den beiden Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital tritt nach meinem Verständnis in einer arbeitsteilig organisierten Produktion realweltlich als die Notwendigkeit in Erscheinung, Produktionsmittel und Arbeitsvermögen zusammenzubringen. Das geschieht in historisch-konkreten Formen, die stark von den Sozialstrukturen der jeweiligen Gesellschaft bestimmt werden (Marx versuchte sich mit dem _Formationsbegriff_ an einer Typisierung derartiger Sozialstrukturen). Eine "überhistorische" Invariante dieses Zusammenhangs ist nach meinem Verständnis die Beobachtung, dass es auf der Seite der Produktionsmittel stets um die sehr komplexe _produktionsorganisatorische_ Frage der Schaffung und Reproduktion einer produktiven Infrastruktur geht, in der sich Arbeitsvermögen erst entfalten kann. Vor einer solchen Aufgabe steht nicht nur ein Unternehmer im Verhältnis zur Lohnarbeit, sondern auch der Südstaaten-Plantagenbesitzer im Verhältnis zu seinen Sklaven, der feudale Grundbesitzer im Verhältnis zu seinen zu Frondiensten verpflichteten Bauern oder der Pharao im Verhältnis zu seinen Pyramidenerbauern. Dies gilt auch für das "siebentorige Theben"; Brechts "lesender Arbeiter" stellt nur die Fragen eines lesenden Lohnarbeiters, nicht die eines lesenden Baumeisters -
http://ingeb.org/Lieder/werbaute.html

Meine Anmerkung zielte nun darauf, dass ich überzeugt bin, dass dieser Zusammenhang zwischen Arbeit und Kapital erst auf einer solchen mit Menschen bevölkerten Ebene wirklich verständlich besprochen werden kann. "Keineswegs", entgegnete G.Quaas, "die etablierten kategorialen Begrifflichkeiten reichen vollkommen aus". Wozu? Zur Dekonstruktion eines Rodbertus gegenüber Marx? Vielleicht. Für ein tieferes Verständnis moderner Bewegungsformen dieses Zusammenhangs von infrastruktureller Reproduktion und operativer Produktion am "Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen" (Altvater)? Wäre aus der Sicht eines mit den Konsequenzen des digitalen Wandel unmittelbar konfrontierten Informatikers eine eher steile These.

Gräbe ... beschreibt diesen Prozess als fraktal ...


Sinnfreie Wortzusammenstellung. Dazu mein Angebot für den 21.1.

Er betont, dass es im Gegensatz zur Betriebswirtschaft, welche sich am Produkt orientiert, bei dem Verständnis des VWLers um den Prozess gehen müsse.


Die Bemerkung zielte darauf, dass es für mich ein Anachronismus ist, in einer "Dienstleistungsgesellschaft", also seit wenigstens den 1950er Jahren, die _Prozesshaftigkeit_ der produktiv-gegenständlichen Tätigkeit der Menschen zu ignorieren und wie zu Rodbertus' (und Marxens) Zeiten zu meinen, dass man allein mit der Perspektive

Nur Produkte selbständiger und voneinander unabhängiger
Privatarbeiten treten einander als Waren gegenüber.


http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_049.htm

selbst kapitalistisch-ökonomische Verhältnisse in ausreichender Auflösung auf dem Radar habe.