Econometric Model of the German Economy (Quarterly)
|
EMGE (Q)
|
Ich werde manchmal gefragt, ob das Modell ein keynesianisches, ein monetaristisches oder
gar ein marxistisches Modell ist. Ein gutes ökonometrisches Modell orientiert sich aber
nicht nur an einer Schule der Nationalökonomie. Denn, wie Adolf Wagner irgendwo
schreibt, die Volkswirtschaft tut dem Ökonomen nicht den Gefallen, entweder der einen oder der
anderen Denkrichtung zu applaudieren. Ein gutes ökonometrisches Modell ist deshalb
eklektisch: Es nimmt sich aus der Schatzkammer der Theorien, was es kriegen kann, sofern
die entsprechenden Hypothesen den empirischen Test bestehen. Dem entsprechend sollte sich
ein Modellbauer und -anwender auch nicht so sehr darum kümmern, ob er den letzten Schrei
hochgeränkter Zeitschriften wahrgenommen und umgesetzt hat; seine allererste Sorge sollte
darin bestehen, den Prognosefehler seines Modells zu senken.
Mit Blick auf die Politik stellt Ray C. Fair folgendes fest - und ich schließe mich seinem
Credo, in aller Bescheidenheit gegenüber einem wesentlich erfahreneren Forscher versteht sich,
voll und ganz an: "This work is completely apolitical... Science is science. You predict what
the equation says, and you try not to let any of your political views hinder that. So there's
nothing partisan in it." (National Journal, March 24, 2012.)
Von den vier Magneten, die einen Prognostiker davon ablenken könnten, seinen Job objektiv zu tun
(theoretische Moden, politisches Wunschdenken, finanzielle Einflußnahme, das Urteil der Kollegen),
ist der letzte Faktor wahrscheinlich die größte Gefahr: Es ist literaturbekannt, daß
erfolgsorientierte Prognostiker dazu neigen, kognitive Dissonanzen zu vermeiden. Selbst wenn man so wie ich jenseits
aller Karrierechancen steht, erlebt man doch fast bei jeder neuen Prognose, wie viel Mut erforderlich ist,
um einfach nur zu berichten, "was die Gleichung sagt".
Der Insider weiß allerdings, dass Gleichungen wie Fakten "do not speak". Meiner Erfahrung nach
ist es aber nicht die Interpretation der Ergebnisse, die das Modell und seine Gleichungen produzieren,
sondern diese Produktion selbst, die Prognosen unsicher und schwankend machen. In den Monaten Ende 2013 und Anfang 2014
zeigte sich, dass die Behandlung der prognostischen Daten am "aktuellen Rand" besonders wichtig für die Prognose
ist. So ging ich mehrmals davon aus, dass die in E-Views vorgesehenen Standardmethoden, die sicherstellen
sollen, dass die Prognose nicht bereits am aktuellen Rand fehl geht, ausreichen. Bei ruhiger Betrachtung und
mit etwas Abstand kam ich aber zu dem Schluss, dass einige so produzierte Prognosen nicht plausibel sind und
deshalb ersetzt werden müssen. Das passierte im Dezember zweimal und wiederholte sich im Februar.
Ein weiterer kleiner Schritt zur Objektivierung der Ergebnisse stellt die Darstellung abweichender Szenarien für den
Welthandel dar, die im August 2015 zum ersten Male praktiziert wurde (siehe Prognosemethode).
Das ökonometrische Modell EMGE ist übrigens in unzähligen Stunden meiner Freizeit ohne irgend eine
finanzielle Unterstützung durch Dritte entstanden, und zwar gegen den ausdrücklichen Rat und Wunsch meiner
Kollegen. Es kann deshalb weder mit dem Institut für empirische Wirtschaftsforschung, das sich inzwischen zu eigener
Prognosetätigkeit aufgeschwungen hat ("Konjunkturradar"), noch mit der Universität Leipzig, der
ich angehöre, in Verbindung gebracht werden. Anders verhält es sich mit darauf aufbauenden Arbeiten. Zu nennen wären:
Georg Quaas, Leipzig im August 2015
Sollten weitere, von Dritten geförderte Arbeiten hinzukommen, so wird die Liste entsprechend ergänzt.