Kommentar zur 6-Quartale-Voraus-Projektion

Prognose vom 27. August 2023

Gesamteindruck: Die deutsche Wirtschaft ist im letzten Quartal 2022 und im ersten 2023 in eine leichte Rezession geraten, hat aber inzwischen die Talsohle überschritten. Der Außenbeitrag nimmt vor allem durch den Rückgang der Importe wieder zu. Die Inflation macht sich in diesem Jahr bei den Konsumausgaben und beim Häuserbau durch Rückgänge bemerkbar. Verstärkt wird die Rezension durch die Zurückhaltung des Staates bei den konsumtiven Ausgaben.

Von der epidemiologischen Krise, der nachlässig bekämpften Inflation und den Sanktionen gegen Russland betroffen sind klarerweise auch die Staatsfinanzen. Die Defizitquote des Staates wird 2023 auf 3,4 Prozent des BIP steigen. Der Projektion für 2024 entsprechend müssten einge Zweifel an der Einhaltung der sog. Schuldenbremse aufkommen. Doch die Rezession wird sich nicht bis ins kommende Jahr erstrecken, so dass der Finanzminister noch Hoffen darf.

Die Rahmenbedingungen: Das Modell unterstellt im Prognosezeitraum einen fast konstanten Dollarwert des Euro bei 1,11 US-$. Der langfristige Zinssatz liegt bei 2,5 Prozent mit fallender Tendenz, und der Kurzfristzinssatz verharrt in den nächsten zwei Jahren um die 4 Prozent. Die Geldmenge M1 wächst nach einer kurzen Pause etwa genauso schnell wie früher. Der Ölpreis steigt wieder leicht in Richtung eines Preises von 115 US-$. Es wird unterstellt, daß der DAX vorerst keinen größeren schockartigen Einbruch erleidet.

Die Unsicherheit einer Prognose inmitten einer Pandemie, einer aus den Ankern gerissenen Inflation und unter den Bedingungen eines heißen Krieges in Europa ist kaum abzuschätzen. Die Vorhersage der Arbeitslosenzahlen zeigt einen Rückgang durch die sich wieder belebende Wirtschaft. Die zu erwartende Unterbeschäftigung kann man dem Verlauf der Phillipskurve entnehmen.

Unsicherheit durch die Datenlage und durch Datenrevision: Die Daten wurden von StBA bis zum 1. Quartal 2019 zurückgehend revidiert. Das erforderte mehrere Eingriffe in das zugrunde liegende Gleichungssystem, insbesondere in die Gleichungen für die verschiedenen Arten der Investition. Die demographischen Daten stellen nach wie vor einen weiteren Unsicherheitsfaktor dar, werden aber voraussichtlich durch die ungebremste Zuwanderung weiter steigen.

Kritik der Mai-Prognose: Insgesamt waren die letzten Prognosen zu pessimistisch. Die Importe und der private Konsum wurden unterschätzt. Der stärkste Fehler trat wieder bei der Bruttoinvestition auf: Dies lag an einer zu groben Bestimmung des entsprechenden Preisindexes. Es ist zu hoffen, dass mit der Korrektur des entsprechenden Gleichungssystems wieder ein realistischeres Bild des Verlaufs der Wirtschaftsentwicklung ermöglicht worden ist.

Eine exakte Angabe der Prognosefehler, die für das gerade abgelaufene Quartal aufgrund der inzwischen vorliegenden Daten ermittelt werden können, findet man wie gewöhnlich unter Vierteljährige Prognosefehler.

Ein umfaßenders Bild der auf Jahreszahlen bezogenen Prognosegenauigkeit des EMGE liefert die Tabelle bisherige Prognosen.

Anläße für Skepsis gegenüber der Prognose? Nach einer aktiven Zeit von mehr als 16 Jahren (die erste Prognose wurde am 2.3.2007 veröffentlicht) hat das EMGE bei den Hauptaggregaten eine hohe Genauigkeit der Ex-post-Prognosen, die in ruhigeren Zeiten zum Teil deutlich und dauerhaft unter einem Prozentpunkt lagen, und eine gute Plausibilität bei den meisten Simulationsergebnissen und Echt-Prognosen erreicht. Angesichts der sicherlich notwendigen, aber für den Prognostiker problematischen, zum Teil berächtlichen nachträglichen Änderungen in den Daten und angesichts der zugrunde liegenden Methodik eines regressionsgestützten Modells kann grundsätzlich nicht angenommen werden, daß mit der Stabilisierung der Strukturen eines empirisch ständig justierten Modells irgendeine Art von Sicherheit bei den Prognosen erreicht werden könnte. Aus diesem Grund wird auch keinerlei Garantie gegeben. Hinzu kommt, daß die Wirtschaft kein autonomes System ist, sondern durch Ereignisse aller Art von seiner "natürlichen" Entwicklung abgelenkt werden kann.

Kommentar vom 27. Aug. 2023


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